Suchmaschinen, die nicht überwachen (2)
Mit einem plakativen Video verdeutlichen die Macher von Qwant, wie sehr sich die Menschen Google ausgeliefert haben.
Ein Fahrradfahrer wird auf einem Waldweg von einem Forstarbeiter angesprochen. Der ihm fremde Mann beschreibt ihm in aller Deutlichkeit seine persönlichen Eigenschaften, Vorlieben und Interessen.
Als dieser ihm dann auch noch seinen Kontakt aus dem Dating-Portal nennt, ergreift der Radfahrer die Flucht.
Der Trailer endet mit der an den Zuschauer gerichteten Frage, warum er im Internet Einblicke in sein Privatleben ermöglicht, die in der realen Welt undenkbar wären.
Datenbestände auf europäischen Servern
Qwant versucht seit 2013 mit einem datensicheren Gegenmodell der Marktmacht von Google entgegen zu treten. Seit Sommer 2017 ist die Suchmaschine vollumfänglich auch in deutscher Sprache verfügbar. Ihr Name ist ein bilinguales Kofferwort aus Quantité (Menge) und dem englischen Verb want(ed).
Qwant crawlt das Internet überwiegend selbst, kooperiert aber zusätzlich mit Microsofts Suchmaschine Bing. Mit einer eigenen Indizierung baut Qwant sukzessive Datenbestände auf europäischen Servern auf.
Das hinter Qwant stehende Unternehmen gleichen Namens garantiert den Nutzern Sicherheit und Datenschutz. Dazu verschlüsselt es die Suchanfragen und setzt keine Cookies. Auch werden weder persönliche Daten erfasst noch IP-Adressen gespeichert, weshalb personalisierte Werbung nicht möglich ist.
Nichtsdestotrotz finanziert sich auch Qwant in weiten Teilen aus Werbung. Um diese Einnahmequelle mit dem Privatsphäreschutz in Einklang zu bringen, hat das Unternehmen ein eigenes Finanzierungsmodell entwickelt. Die Betreiber zielen auf effiziente Suchergebnisse, zu denen ein informierender Charakter unaufdringlicher Werbeanzeigen beitragen soll.
Damit will Qwant diejenigen überzeugen, die Speichermöglichkeiten für Suchergebnisse schätzen, wenn sie beispielsweise für eine größere Anschaffung recherchieren. Für solche Fälle bietet Qwant eine Funktion namens Masq. Diese ermöglicht Nutzern ihre Daten verschlüsselt lokal auf ihren Geräten zu speichern.
Verschiedene Suchportale und Funktionalitäten als Service
Anwenderfreundlichkeit hat bei Qwant in jeder Hinsicht hohe Priorität. Deshalb haben die Konzepter entschieden, die Wahlmöglichkeit zwischen
- der allgemeinen Suche (Qwant),
- der Kindersuche (Junior)
- und der Musiksuche (Music)
oben links auf den Startbildschirm zu legen. Das Eingabefeld für die Suchanfragen sitzt im Zentrum. Ebenso sind die Einstellungen, die Länderwahl und die Menüpunkte erwartungskonform untergebracht.
In der Ergebnisanzeige ist links ein vertikaler Streifen platziert, bestückt mit Icons und den dazugehörigen Begriffen. Über diese setzt der Nutzer seine Filter, je nachdem, ob er für sein Suchergebnis alle Webergebnisse oder nur die aus den Bereichen News, Social Media, Bilder, Videos oder Shopping angezeigt haben möchte. Perfektionisten könnten hier einen Kartendienst vermissen.
Als Schutz vor Verfolgung von Suchaktivitäten bietet Qwant im Video- und im Musikbereich die Möglichkeit, Inhalte innerhalb der eigenen Site abzuspielen. Im Standardbereich ruft Qwant, wie viele andere Suchmaschinen, die aus der Ergebnisliste ausgewählten Treffer in externen Links auf. Auch Qwant-Nutzer sollten sich deshalb bewusst sein, dass sie hier dann möglicherweise von den Website-Betreibern eingesetzten Tracking-Diensten begegnen begegnen.
Qwant punktet mit attraktiven erweiterten Funktionen. Über Qwicks-Befehle, bei denen man einer Webadresse das Zeichen "&" voranstellt, lässt sich ohne Umwege auf häufig genutzte Seiten zugreifen.
Außerdem kann man Suchergebnisse in Favoriten speichern und Webinhalte anhand von Notizheften (boards) teilen. Für das dazu benötigte Konto, bedarf es nicht mehr Daten als den Namen und eine Email-Adresse.
Höchst anerkennenswert ist, dass mit Qwant junior zusätzlich eine ansprechend illustrierte Kindersuche angeboten wird. Gab es sie zunächst nur in französischer und englischer Sprache, steht sie mittlerweile auch in deutsch und italienisch zur Verfügung. Qwant junior ist gedacht für Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren. Viele französische Schulen setzen die kindgerechte Suchmaschine zur digitalen Bildung ein, wobei sie ihre Schüler für Datenschutz sensibilisieren wollen.
Erfreulich ist auch, dass es eine JavaScript-freie Version der Suchmaschine gibt: Qwant lite. Wem also unterwegs das Qwant-Design und die tagesaktuell eingebundenen Inhalte zuviel Ladezeit kosten, hat hiermit eine Alternative zur Mobil-App. Zugleich berücksichtigen die Qwant-Entwickler mit diesem Angebot auch Nutzer älterer Geräte und Browser.
Oberste Prorität hat die Autonomie der Nutzer
Der Gründer Eric Léandri bezieht sich digitalethisch auf die UN-Menschenrechtskonvention, die in Artikel 12 das Recht auf Privatsphäre festschreibt. Aktuell hat Léandri auf der Suche nach Unterstützern einen gleichgesinnten Partner in dem privatsphärerespektierenden Browserhersteller Brave gefunden. Finanziell beteiligt sind das Medienhaus Springer, eine französische und die Europäische Investment Bank.
Von der Kooperation mit Brave verspricht sich der Qwant-Initiator dem Giganten Google die Stirn bieten zu können. Brave wurde von Mozilla-Urgestein und JavaScript-Entwickler Brendan Eich entwickelt und ist ebenfalls auf Privatsphäreschutz spezialisiert.
Der Browseranbieter wirft Google vor, millionenfach gegen die EU-DGSVO zu verstossen und hat Klage dagegen eingereicht. Er begründet diese damit, dass der Konzern die Daten seiner Nutzer ohne deren Wissen werbetreibenden Unternehmen zur Verfügung stellt.
Bei Qwant hingegen stimmt der Nutzer aktiv zu, wenn er von einem Unternehmen werblich über dessen Angebote informiert werden möchte. Zudem verbleiben die Daten lokal auf seinem Gerät.
Léandri setzt stark auf den deutschen Markt, weil die Menschen hierzulande mehr Wert auf Datenschutz legen als anderswo.
In Qwant steckt bemerkenswerte Konzeptions- und technische Entwicklungsarbeit. Die Suchmaschine hat Ihre eingehende Prüfung verdient.
Zu Qwant
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