Wo die anonyme Suche ihre Grenzen hat
Seit vermehrt öffentlich hinterfragt wird, wie die Internet-Gatekeeper durch kuratierte Inhalte und Clickbaiting auf die Meinungsbildung wirken, steigt das Interesse an anonymer Suche. Kritische Menschen stören sich schon lange daran, dass Google via seiner zahlreichen Internetdienste Daten sammeln und anschließend die Auswertungen individuell zugeschnitten ausspielen kann.
Um den sogenannten Echokammern und personalisierter Werbung zu entgehen, nutzen User für die Web-Suche Alternativen, die Privatsphäre-Schutz versprechen. Anonyme Suchmaschinen verfolgen weder das Nutzerverhalten noch speichern sie die IP-Adressen der Anwender. Solange sich der User zwischen seinen Sucheingaben und den angezeigten Ergebnissen bewegt, kann er sich also sicher fühlen.
Anders sieht das allerdings aus, wenn der Nutzer auf einen Suchergebnis-Link klickt und die gewünschte Website sich öffnet. Dann ist es vorbei mit seiner Anonymität.
Anonym gesucht und trotzdem getrackt
Veranschaulichen lässt sich dies an einem häufig genutzten Beispiel:
Steuert ein Leser das Online-Angebot der Süddeutschen Zeitung an, werden neben Google und Facebook zig weitere Tracker aktiv.
Bei Portalen und größeren Anwendungen sind es bis zu fünfzig verschiedene Tracking-Dienste. Sie lesen Angaben zu Gerätetyp, Betriebssystem und Browser aus, lokalisieren den Standort des Users, kennen den Domainnamen seines Internetproviders und nehmen viele weitere seiner übermittelten Informationen auf.
So können dem User völlig unbekannte Unternehmen Beobachtungsdaten über ihn sammeln, von der Verfolgung der Klickpfade bis zur Warenkorbanalyse.
Check-Seiten offenbaren Bedenkliches
Welche Informationen der Browser durch das sogenannte Fingerprinting ausliest, führen einem der Anonymitätstest von JonDonym und die Domains dein-ip-check oder Eigene-ip.de eindrucksvoll vor Augen.
Nicht nur die Internetprotokolldaten sind weltweit für jedermann lesbar, sondern auch rechnerspezifische Angaben zu Grafikkarte, Bildschirmauflösung und installierten Schriftarten. Der Browserverlauf offenbart die Interessen einer Person und über die öffentlich sichtbare IP-Adresse kann theoretisch ihre Identität identifiziert werden.
Nur wer Websites über den Umweg eines Proxy-Dienstes ansteuert, kann verhindern, dass er im Netz sozusagen nackt unterwegs ist.
Nutzerzentrierter Content entsteht auf der Basis von Monitoring
Dass Website-Betreiber den Erfolg ihrer Inhaltsangebote messen wollen, ist wiederum nachvollziehbar und per se kein Unrecht, solange das Monitoring datenschutzkonform geschieht. Schließlich investieren sie in ihre Online-Präsenzen jede Menge Zeit und Geld.
Um den Besuchern regelmäßig nutzwertige Informationen bieten zu können, arbeiten sie entweder mit einem internen Team oder vergeben die Content-Produktion an externe Profis. Shop-Anbieter haben einen beträchtlichen finanziellen Aufwand, hinsichtlich laufender Programmieranpassungen, Sicherheits-Updates für das Bezahlsystem und Rechtsberatung.
Folglich gebietet der Gedanke der Wirtschaftlichkeit Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie Kunden die Qualität der Funktionen und Inhalte wahrnehmen. Das ermitteln Analyse-Tools anhand von Fragen wie diesen:
- Über welchen Weg sind die Besucher auf eine Webseite gelangt?
- Welche Suchbegriffe haben sie eingegeben?
- Sind sie neue oder wiederkehrende Besucher?
- Wie lange verweilen sie?
- Welche Publikationen werden wie oft heruntergeladen?
Werbung ist nur der Deckmantel
Für die Nutzer ist aber nicht ohne weiteres erkennbar, ob nur der Website-Betreiber selbst auswertet, wie diese sich innerhalb seines Online-Angebots bewegen oder ob mit sogenannten Third-Party-Cookies ihre Interessen über mehrere Domains hinweg verfolgt werden können.
Selbst wenn Anwendern die Datenerhebung durch Dritte bewusst ist, mutmaßen sie häufig, dass dies allein zu Werbezwecken geschieht. Zu dieser Annahme tragen auch Medienberichte über Big Data bei, die oft die Vokabel "Werbeflut" im Titel führen. Werbung nervt zwar, aber wenn Tracking vermeintlich nur ihr dienen soll, nimmt man die Cookies eben in Kauf. Es wird einem ja auch oft per Einblendung auf der Startseite versprochen, dass mit den gewonnenen Erkenntnissen Dienste und Produkte verbessert werden.
Und schließlich argumentieren viele "Ich habe nichts zu verbergen". Diese unbedarfte Äußerung hat es sogar schon zu einem eigenen Wikipedia-Eintrag gebracht. Sie ist so kurzsichtig wie unrichtig. Denn jeder hat Privatheit, die er für sich behalten möchte und sei es nur der Kontostand.
Warum Daten das Öl der digitalen Zeit sind
Vielen Menschen ist nicht bewusst, welche Zusammenhänge mit den Überwachungsdaten hergestellt werden können. Unablässig entstehen neue Daten und die Möglichkeiten ihrer Kombinatorik sind unendlich.
Mit den Nutzerprofilen verfügen Unternehmen über wertvolles Kapital, was sich auch daran ablesen lässt, dass Datenhandel ein eigener lukrativer Wirtschaftszweig geworden ist. Mit Schlussfolgerungen aus Eigenschaften und Verhalten können Unternehmen Personalentscheidungen treffen, Krankenversicherungen Risikoeinschätzungen vornehmen und Banken über Kreditvergaben entscheiden.
Ungleichbehandlungen gibt es bei der Preisgestaltung, etwa wenn der Online-Shop einem Kaufinteressenten, der in einem attraktiven Stadtviertel wohnt, einen höheren Preis anzeigt. Weitaus drastischere Diskriminierungen sind möglich, wenn Kriterien wie die sexuelle Orientierung, die ethnische Herkunft oder das religiöse Bekenntnis bei Unternehmensentscheidungen eine Rolle spielen.
Aber auch ohne, dass Daten an auswertende Firmen verkauft werden, lassen sie sich gezielt manipulativ einsetzen. Nachweislich richten sich die Ergebnisse eines Google-Nutzers nach seiner Suchhistorie, seinem Standort und seinen Status-Updates in den sozialen Netzwerken. Diese Filterblasen schaden der Meinungsvielfalt und können letztlich die Demokratie gefährden.
Ganz egal, ob es sich um unbewusst über Tracking abgegriffene Daten handelt oder um wissentlich durch Meinungsäußerung erstellte, etwa bei Facebook, sie sind Eigentum der Unternehmen. Sie können daraus immens gewinnbringend Informationen erzeugen und verkaufen, ohne je einen einzigen Inhalt selbst produziert zu haben.
Zusätzlich generiert das Internet der Dinge durch kommunizierende Smart Home-Geräte, Fitness-Armbänder und dergleichen mehr einen Datenstrom, der eine nicht versiegende Geldquelle verspricht.
Aufgeklärte User schätzen verantwortungsvolle Unternehmen
Sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu wahren, wie das Datenschutz-Grundrecht juristisch korrekt heißt, ist mitunter umständlich.
Mit Datenschutz lässt sich nicht das große Geld verdienen, weshalb wenig Interesse an Aufklärung und praktikablen Lösungen besteht. Internetanwender sehen sich daher häufig überfordert bei Auswahl, Installation und Kombination von Sicherheitsvorkehrungen gegen die Überwachung ihres Surfverhaltens.
Ein Virtual Private Network aufzubauen, ist meist mit Kosten und technischem Aufwand verbunden. Beim Netzwerk Tor müssen merkliche Geschwindigkeitseinbußen in Kauf genommen werden. Ein alltagstauglicher Mittelweg ist, die Cookie-Einstellungen im Browser gegen Tracking anzupassen und Websites mit dem anonymen Surfmodus zu öffnen, wie ihn die Suchmaschine Startpage anbietet.
Einen großen Beitrag zum Datenschutz können Unternehmen leisten - mit datenschutzkonformen Webanalyse-Alternativen zu Google-Analytics. Neben dem Open-Source-Instrument Matomo (das früher Piwik hieß) gibt es auch zweckmäßige kommerzielle Dienste, die das Besucherverhalten anonymisiert und pseudonymisiert auswerten.
Auf diese Weise erfüllen Unternehmen die strengen deutschen Datenschutzrichtlinien und können dennoch mit gutem Recht die Wirksamkeit ihrer Online-Angebote messen. So lernen sie ihre Kunden kennen und Inhalte bedarfsgerecht anzupassen. Gleichzeitig geben sie ihren Besuchern das gute Gefühl, dass ihre Daten bei denen bleiben, denen sie diese anvertraut haben.